Eren Keskin arbeitet seit 1984 als Rechtsanwältin und ist aktives Mitglied des Menschenrechtsvereins der Türkei (IHD) seit dessen Gründung 1986. Mehrere Jahre war sie Vorsitzende des IHD in Istanbul und stellvertretende Vorsitzende auf Landesebene. Diese Position hat sie auch heute.
Als Strafverteidigerin war und ist sie vor allem mit politischen Fällen befasst. Sie setzt sich engagiert für verfolgte Angehörige von Minderheiten und für ihre Rechte ein, insbesondere für Kurden, Armenier, Homo- und Transsexuelle und Flüchtlinge. 1997 gründete sie zusammen mit anderen Rechtsanwältinnen ein Projekt zur juristischen Unterstützung von Frauen, die in der Haft vergewaltigt oder anderen Formen sexueller Folter unterworfen wurden, das Rechtshilfebüro gegen sexuelle Misshandlungen und Vergewaltigungen in Haft.
Gegen Eren Keskin wurden seit jeher viele Anklagen erhoben. 1995 wurde sie zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und musste sechs Monate davon verbüßen, weil sie in einem Artikel
das Wort „Kurdistan“ verwendet hatte. Sie wurde mindestens vier Mal zu Haftstrafen verurteilt,
weil sie das Wort „Kurdistan“ benutzte, öffentlich über sexuelle Übergriffe auf kurdische Frauen
durch Soldaten und Gendarmen berichtete oder den Staat für die Tötung eines kurdischen Jungen
durch die Sicherheitskräfte verantwortlich machte. Einige Urteile wurden in Geldstrafen
umgewandelt oder zur Bewährung ausgesetzt.
Eren Keskin erhielt immer wieder Morddrohungen und wurde mehrfach gewaltsam angegriffen.
Aus Solidarität mit der prokurdischen Zeitung Özgür Gündem, die immer wieder zahlreichen
Repressionen ausgesetzt war (und im Oktober 2016 verboten wurde), hatte Eren Keskin von 2013
bis Anfang 2016 symbolisch die Funktion der Mitherausgeberin dieser Zeitung übernommen. Sie
hat diese Funktion jedoch nicht praktisch ausgeübt und hatte keinen Einfluss auf redaktionelle
Entscheidungen. Wegen in der Zeitung erschienener Artikel wurden in den letzten drei Jahren 140
Verfahren gegen sie eingeleitet. Sie hatte diese Artikel zwar nicht geschrieben, wurde dafür aber
als Mit-Herausgeberin verantwortlich gemacht. Die Anklagen beruhen zumeist auf Artikeln des
Anti-Terror-Gesetzes − „Propaganda für eine terroristische Organisation“ oder „Veröffentlichung
von Verlautbarungen einer terroristischer Organisation“. In einigen anderen Verfahren wird sie
nach Artikel 301 wegen Verunglimpfung der türkischen Nation, der Republik und ihrer
Institutionen und nach Artikel 299 wegen Beleidigung des Staatspräsidenten angeklagt.
Zwar wurde ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Untersuchungshaft vom Gericht abgelehnt,
aber das Gericht hat eine Ausreisesperre gegen Eren Keskin verhängt.
Insgesamt wurden in 3 Verfahren bisher Haftstrafen von insgesamt 12,5 Jahren verhängt, sie sind
noch an Berufungsgerichten anhängig. In einem der Verfahren wurde Eren Keskin der „Beleidigung
des Präsidenten“ für schuldig befunden wegen eines Artikels, der nach dem Bombenanschlag auf
eine Friedensdemonstration am 10. Oktober in Ankara mit mehr als 100 Toten erschien. Die
Titelzeile lautetet: „Zehntausende kehrten auf den Platz auf dem der Frieden massakriert worden
war zurück und skandierten: “Mörder Erdoğan“. Den Menschen, die dies riefen, kann man zwar
Beleidigung des Staatspräsidenten vorwerfen, nicht jedoch dem Autor des Artikels, in dem
darüber berichtet wurde und auch nicht Eren Keskin als Herausgeberin der Zeitung.
Eren Keskin ist außerdem eine von neun Angeklagten in einem weiteren Verfahren gegen die
seit einigen Jahren verbotene Zeitung
Özgür Gündem. Auch hier geht es um Vorwürfe nach dem Antiterrorgesetz und es drohen
Haftstrafen von bis zu 24 Jahren.
Briefappelle
An den JUSTIZMINISTER
Abdulhamit Gül
Minister of Justice
Ministry of Justice
Adalet Bakanlığı
06659 Ankara
TÜRKEI
Fax: (00 90) 312 419 33 70
E-Mail: ozelkalem@adalet.gov.tr
Kopien der Briefe können geschickt werden an:
BOTSCHAFT DER REPUBLIK TÜRKEI
S. E. Herrn Ali Kemal Aydin
Tiergartenstr. 19-21
10785 Berlin
Fax: 030-275 90 915
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr |